Neben Vater und Sohn ist auch der Heilige Geist eine Person des dreieinigen Gottes – und dennoch ist sein Wirken weit weniger bekannt, als das von Vater und Sohn. In der Bibel, vor allem im Neuen Testament, wird beschrieben, was der Heilige Geist am Gläubigen tut. Doch was tut der Heilige Geist sonst noch? Was zeichnet sein Wirken aus? Ein kurzer Überblick zeigt, dass der Heilige Geist außer seinem Wirken in und an der Gemeinde noch weitere Wirkungsgebiete hat.
Schöpfung
Der Heilige Geist wird schon im zweiten Vers der Bibel genannt. Wie der Vater (1.Korinther 8,6) und der Sohn (Kolosser 1,16), so war auch der Heilige Geist an der Schöpfung beteiligt: „Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser“ (1.Mose 1,2). Was hier mit „schwebte“ übersetzt ist, könnte auch „zittern“ oder „brüten“ bedeuten. Damit wäre dem Geist Gottes eine höchst aktive Rolle in der Erschaffung der Erde zugeschrieben. Besser noch aber wird das hebräische Wort mit „schweben“ übersetzt – ähnlich wie in 5.Mose 32,11, wo es den gleitenden Flug des Adlers beschreibt. Das gleitende Schweben des Geistes Gottes über der formlosen und mit Wasser bedeckten Erde zeigt damit einerseits seine machtvolle Präsenz bei der Schöpfung. Andererseits wird damit ausgedrückt, dass der Heilige Geist tätig ist im Beschützen und aufmerksamen Wachen über der im Schöpfungsprozess befindlichen Erde.
Neben den ersten Versen der Bibel wird der Heilige Geist auch an anderen Stellen des Alten Testaments mit der Schöpfung in Verbindung gebracht. So wird in Psalm 33,6 über die Schöpfung gesagt: „Durch des HERRN Wort ist der Himmel gemacht und alle sein Heer durch den Hauch seines Mundes.“ Was hier mit „Hauch“ übersetzte Wort ist dasselbe Wort, das an anderen Stellen für den Geist Gottes verwendet wird. Der „Geist“ wird hier aufs Engste mit dem schöpferischen Wort Gottes verbunden. Zudem ist er an der Erschaffung jedes Menschen beteiligt (nicht nur an der Erschaffung Adams, vgl. 1.Mose 2,7), wenn Elihu in Hiob 33,4 bezeugt: „Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der Atem des Allmächtigen belebt mich.“ Vielleicht ist auch in Psalm 104,30 mit dem „Lebensatem“ Gottes (im Hebr. der gleiche Ausdruck wie „Geist Gottes“) eine Aktivität des Heiligen Geistes bei der Schaffung jedes Lebewesens gemeint. Damit kann das Wirken des Heiligen Geistes neben seinem Wirken bei der Erschaffung der Erde und des Universums auch auf die Erschaffung und Erhaltung der übrigen Schöpfung ausgeweitet werden.
Jungfrauengeburt
Obwohl der Heilige Geist bei der Erschaffung der Erde und auch beim Werden jedes einzelnen Menschen beteiligt war, hatte er bei der Geburt des Herrn Jesus eine besondere Rolle. Im Gegensatz zu jedem anderen Menschen hatte der Herr Jesus keinen menschlichen Vater, sondern wurde von einer Jungfrau geboren. Das ist völlig einzigartig. Als der Engel Gabriel Maria die wundersame Geburt ankündigte, konnte schon Maria nicht begreifen, wie das vor sich gehen konnte. Die Antwort: Durch den Heiligen Geist! Der verwunderten Maria verkündet der Engel: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lukas 1,35). Der Heilige Geist selbst bewirkte die wundersame Schwangerschaft von Maria: „Als nämlich Maria […] dem Josef verlobt war, wurde sie, ehe sie zusammengekommen waren, schwanger befunden von dem Heiligen Geist“ (Matthäus 1,18). Das wird auch Josef gegenüber von einem Engel bestätigt: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zunehmen! Denn das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geist“ (Matthäus 1,20).
In der Erklärung des Engels Maria gegenüber in Lukas 1,35 werden zwei wichtige Konsequenzen dieses Wirkens genannt: Einerseits ist die übernatürliche Zeugung durch den Heiligen Geist der Grund dafür, dass Jesus schon bei der Geburt als „Heiliger“ bezeichnet wird und damit als rein und ganz für Gott abgesondert besonders ausgezeichnet wird. Zum anderen wird dadurch deutlich, dass es sich bei Jesus nicht um einen gewöhnlichen Menschen, sondern um den „Sohn Gottes“ handelt.
Durch das wundersame Wirken des Heiligen Geistes ist Jesus damit wie jeder andere Mensch von einer Frau geboren (vgl. Galater 4,4), doch im Gegensatz zu jedem anderen Mensch ist er sündlos und von wahrhaft göttlicher Natur. Paulus beschreibt das so, dass „er seinen eigenen Sohn in Gestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sandte“ (Römer 8,3). Die komplizierte Ausdrucksweise „in Gestalt des Fleisches der Sünde“ drückt dabei aus, dass Jesus wirklich Mensch (Fleisch) war, aber eben nicht an der verdorbenen menschlichen Natur (Fleisch der Sünde) Anteil hatte, sondern in dieser Hinsicht dem Fleisch der Sünde nur ähnlich war.
Das Wirken des Heiligen Geistes bei der Zeugung des Herrn Jesus war also die notwendige Voraussetzung dafür, dass er einerseits als wahrer Mensch stellvertretend für andere Menschen sterben konnte, andererseits aber nicht wie alle übrigen Menschen zur gefallenen Schöpfung gehörte, sondern rein und sündlos war. Nur deshalb kann er auch als vollkommener Hoherpriester für uns eintreten (vgl. Hebräer 2,17-18).
Inspiration der Schrift
Wie der Heilige Geist schon bei der Schöpfung eng mit dem Wort Gottes verbunden war (vgl. Psalm 33,6), so ist er es auch, der bei der Inspiration der Schrift am Wirken war. Er, der auf wundersame Weise gewirkt hat, dass der Sohn Gottes als das Wort schlechthin (Johannes 1,1ff) in die Welt kam, er ist es auch, der die Verschriftlichung des Wortes Gottes in Form der Schriften des Alten und Neuen Testaments gewirkt hat.
Schon im Alten Testament wird deutlich, dass das Wort Gottes durch den Heiligen Geist gewirkt ist. Ein Prophet wird als jemand beschrieben, auf dem der Geist des HERRN liegt (4.Mose 11,29). Entsprechend ist in Nehemia 9,30 das Reden des Geistes Gottes als Zeuge gegen den Ungehorsam Israels identisch mit dem Wort der Propheten, wie durch die erklärende Ergänzung deutlich wird: „Du tratest als Zeuge gegen sie auf durch deinen Geist, durch das Wort deiner Propheten“. Die Schriften der Propheten sind damit „die Worte, die der HERR der Heerscharen durch seinen Geist sandte durch die früheren Propheten“ (Sacharja 7,12).
Auch im Neuen Testament wird dies bezeugt. Das Wirken des Heiligen Geistes bei der Entstehung der Schrift wird auch in 2. Petr 1,21 ausgedrückt: „Denn niemals wurde eine Weissagung durch den Willen eines Menschen hervorgebracht, sondern von Gott her redeten Menschen, getrieben vom Heiligen Geist.“ Die Weissagungen (oder Prophetien) der Schrift entspringen also nicht den Erfindungen von Menschen, sondern dem direkten Wirken des Heiligen Geistes. Das Wirken des Heiligen Geistes wird dabei so beschrieben, dass die Propheten durch ihn „getrieben“, also vom Heiligen Geist bewegt, geführt, geleitet und gelenkt wurden. Das von Petrus gebrauchte Wort wird in Apostelgeschichte 27,15 für ein vom Wind getriebenes Schiff verwendet. Der Heilige Geist ist damit der innere Antrieb der Propheten und leitet ihre Gedanken, ohne dass dabei die Persönlichkeit oder der Stil des Propheten ausgeschaltet worden wären.
Nach 2.Timotheus 3,16 ist „alle Schrift von Gott eingegeben“. Das hier mit „eingegeben“ wiedergegebene Wort (gr. theopneustos) ist schwierig zu übersetzten. Es setzt sich zusammen aus dem Wort für „Gott“ (theos) und dem Wort für „hauchen“ (pneo), das in Johannes 3,8 das Wirken des Heiligen Geistes beschreibt. Das zusammengesetzte Wort wurde vermutlich von Paulus erst gebildet, um eine wichtige Wahrheit über die Schrift zu verdeutlichen. Wörtlich könnte man es mit „Gott-gehaucht“ übersetzen. Da das gr. Wort pneuma sowohl „Geist“ als auch „Wind/Hauch“ bedeutet, könnte so etwas wie „Gott-gegeistet“ eine Wiedergabe in Form einer Hilfskonstruktion sein, was dann soviel wie „von Gottes Geist eingegeben“ bedeutet. Ihrer Herkunft nach wurde die Schrift durch den Heiligen Geist gegeben. Dieser Vorgang wird daher auch als In-spiration bezeichnet, also als Eingeben der Worte der Schrift durch den Geist Gottes. Das hat für die Leser der Schrift ganz praktische Konsequenzen. Nur weil die Schrift von Gott unter Wirkung seines Geistes inspiriert ist, kann Paulus in 2.Timotheus 3,16 den praktischen Nutzen nennen, den sie bis heute hat: Der Heilige Geist gebraucht die Schrift, um uns wichtige Wahrheiten zu lehren, von Sünde zu überführen, uns in unserem Glauben zurecht zu bringen und uns durch die Schrift als Pädagoge zur praktischen Gerechtigkeit anzuleiten.
Auf dieser Basis kann der Heilige Geist auch als Autor der Schrift angesehen werden. In Hebräer 3,7 wird ein Zitat aus der Schrift mit den Worten „der Heilige Geist spricht“ eingeleitet, ebenso in Hebräer 10,15 mit den Worten „Das bezeugt uns aber auch der Heilige Geist“. Das macht zugleich deutlich, dass die Schrift nicht nur bei ihrer Entstehung das Reden des Heiligen Geistes ist, sondern auch heute noch ein direktes Ansprechen des Heiligen Geistes an ihre Leser. Wenn wir die Schrift öffnen, spricht auch heute noch der Heilige Geist zu uns und bezeugt uns wichtige Wahrheiten. Oder er erklärt heilsgeschichtliche Zusammenhänge, wie in Hebräer 9,8 das Reden der Schrift als Erklärung des Heiligen Geistes ausgedrückt wird: „Damit [d.h. durch das Vorhandensein des trennenden Vorhang vor dem Allerheiligsten der Stiftshütte] zeigt der Heilige Geist an, dass der Weg zum Heiligtum noch nicht geoffenbart ist.“
Aufschließen der Schrift
Weil der Geist Gottes die Inspiration der Schrift gewirkt hat und durch sie spricht, ist er auch derjenige, der sie erklärt. In Johannes 16,13 verheißt Jesus seinen Jüngern: „Wen aber jener, der Geist der Wahrheit gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten, denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was er hören wird, wir er reden, und das Kommende wir er euch verkündigen.“ Ein wesentliches Wirken des Heiligen Geist ist es also, die Schrift aufzuschließen und uns in die ganze Wahrheit der Schrift einzuführen. Er erklärt die Schrift und lässt sie gleichzeitig zum persönlichen Reden Gottes an jeden Einzelnen werden. Dabei redet er jedoch nicht aus sich selbst, sondern leitet so in die Schrift, wie er es vom Sohn hört (V.13-14).
Damit ist ein weiteres Wirken des Heiligen Geistes angesprochen: Er ist auch derjenige, der das Kommende verkündigt. Er ist damit Ursprung und Verkünder der Prophetie. Daher wird auch die Vision, die Johannes in der Offenbarung erhält, eingeleitet mit den Worten „Ich war im Geist“ (Offenbarung 1,10; 4,2). Ganz entsprechend kommt der Heilige Geist in der Offenbarung auch selbst zu Wort (Offenbarung 14,13). Dabei zeigt sein Reden aber auch die praktische Dimension der Prophetie auf. Jedes Sendschreiben der Offenbarung endet mit der Aufforderung: „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ (Offenbarung 2,7.11.17.29; 3,6.13.22). Damit wird das Wort Jesu für die sieben Gemeinden gleichzeitig als das Reden des Heiligen Geistes bezeichnet, das es zu beachten und zu befolgen gilt.
Verherrlichung Gottes
In der Beschreibung des Wirkens des Heiligen Geistes in Johannes 16,13 wird neben einer Tätigkeit auch eine wesentliche Charaktereigenschaft des Heiligen Geistes genannt, die sein gesamtes Wirken auszeichnet: Er wird den Sohn verherrlichen. Der Heilige Geist stellt sich nie selbst in den Mittelpunkt, sondern wirkt immer so, dass der Sohn verherrlicht und groß gemacht wird. Das erklärt, dass sich beim Lesen der Schrift häufig der Eindruck einstellt, dass der Heilige Geist gegenüber dem Vater und dem Sohn eher im Hintergrund zu sein scheint. Er, der die Schrift selbst eingegeben hat, will damit den Sohn verherrlichen und gerade nicht auf sich selbst hinweisen. Und nicht nur durch sein Wirken verherrlicht er den Sohn, sondern auch dadurch, dass er die Wahrheit, die er verkündet (Johannes 16,13) nicht aus sich selbst nimmt, sondern vom Sohn (Johannes 16,15). Bei dem, was er verkündet, schöpft er aus dem unerschöpflichen Reichtum dessen, der selbst die Wahrheit ist (Johannes 14,6).
Wenn schon das Wirken des Heiligen Geistes von dieser Zurückhaltung in Bezug auf sich selbst gekennzeichnet ist, sollte dies erst recht für uns heute gelten. Die Art und Weise, wie der Heilige Geist den Sohn verherrlicht, kann auch heute Motivation und Ansporn sein, nicht auf uns selbst hinzuweisen, sondern darauf bedacht sein, den Herrn Jesus groß und herrlich zu machen.
Kurzgefasst: Was wirkt der Heilige Geist?
Der Heilige Geist ist Mitschöpfer der Erde und der Menschen. Er wirkte die wundersame Geburt des Herrn Jesus, durch die er als wahrer Gott und wahrer Mensch stellvertretend für uns sterben konnte und nun für uns als Fürsprecher eintreten kann. Sowohl im Alten wie im Neuen Testament leitete er die Verfasser der Schrift und ist somit selbst ihr Urheber, der uns auch heute noch persönlich durch sie anspricht und uns die Schrift öffnet. Dabei tritt er selbst nie in den Vordergrund, sondern verweist auf den, von dem die ganze Schrift redet und zeugt: Den Herrn Jesus, den er uns durch sein Wirken groß und herrlich machen will.
Zuerst erschienen in: Perspektive 05/2014, 34-36